Generation Z (Hope)
Wie ein kleines Virus gerade die Welt verändert
oder
Wie wir gerade jetzt die Welt verändern können
von Roland Braun, Susanne Liell und Christoph Post
Unumstritten wird das Jahr 2020 als das „Corona-Jahr“ in die Annalen der Weltgeschichte eingehen, unumstritten hat COVID-19 weltweit das Leben jedes einzelnen von uns nachhaltig beeinflusst oder beeinträchtigt. In Deutschland macht sich die Meinung breit, die aktuelle Pandemie werde Auswirkungen insbesondere auf die Zukunft unserer jungen Generation haben, was freilich allein deshalb kein Wunder ist, weil die junge Generation unter uns allein alterstechnisch den größten Anteil an „Zukunft“ besitzt.
Mutmaßlich verbirgt sich jedoch hinter der Aussage, die Jugend sei von der Krise besonders betroffen, mehr als eine zahlenmäßige Berechnung. Gemäß einer chinesischen Weisheit, die besagt, jede Krise bedeute zugleich eine Chance, ist daher die Frage berechtigt, ob die Möglichkeit, aus der Corona-Krise Nutzen zu ziehen, demnach für die junge Generation auch besonders hoch ist. Wir sagen ganz klar: Ja! Wir wenden uns daher mit den folgenden Worten vornehmlich an euch, die junge Generation, mit der Einladung, vielleicht sogar mit der Aufforderung, aus den Steinen, die sich euch aktuell in den Weg legen, etwas Hübsches zu bauen, möglicherweise eine neue, bessere Zukunft.
Heute
Um unsere These auf ein ordentliches Fundament zu stützen, betrachten wir zunächst den Ist-Zustand. Hierfür haben wir Situationen gesammelt, in denen ihr dieses abstrakte, weder sicht- noch greifbare Virus, das die Welt euch ohne euer Wollen, Wissen oder Wirken übergestülpt hat, besonders zu spüren bekommt. Wir haben euch beobachtet und gefragt, wo ihr Corona konkret in eurem Leben begegnet. Die Themen, die wir im Folgenden anreißen, haben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit oder Exklusivität; es handelt sich vielmehr um Gedankensplitter, um szenische Ausschnitte aus dem Leben eines eher beliebigen als repräsentativen jungen Menschen in 2020. Gleichwohl kann möglicherweise die Summe aller Momentaufnahmen sich zu einem relativ realitäts-nahen Bild eurer Berührung mit und der Berührtheit von Corona zusammenfügen.
Vielleicht gehört ihr zum Beispiel zur Gruppe von Menschen, die sich freuen, dass in Venedigs Kanälen wieder Fische sichtbar sind und Schwäne schwimmen. Vielleicht seid ihr unter jenen, die sich über die neuesten Enthüllungen zu den Zuständen in deutschen Schlachthöfen vor Entsetzen schütteln. Das öffentliche Mitleid mit euch war groß, wenn ihr zu den diesjährigen Schulabgänger gehört, denn viele eurer Träume und Pläne musstet ihr wegen Corona begraben: statt festlicher Abschlussfeier oder Abiball erlebtet ihr eine Zeugnisverleihung hinter Plexiglas, statt Sabbatjahr als Weltenbummler bleibt euch das FSJ im Altersheim, statt der geplanten Ausbildung wird euch vielleicht nur ein Praktikum angeboten. Möglicherweise reißt auch die Kurzarbeit eurer Eltern gerade ein enormes Loch in die Haushaltskasse und zuhause wird der Gürtel um ein Beträchtliches enger geschnallt.
Traumhafte Urlaubspläne sind allein schon durch die vielfältigen Reiseverbote und -warnungen massiv durchkreuzt worden. Ebenso sind große Partys, Disco- oder Bar-Besuche – kurz: alles, was ihr unter „feiern gehen“ zusammenfasst, – aktuell komplett Fehlanzeige. Auch Konzerte und Festivals, die eure Sommer gewöhnlich bunt machen, sind abgesagt. Vielleicht gibt es dafür aber auch bei euch jeden Sonntagabend um 18 Uhr in der Nachbarschaft ein Straßenkonzert, für das sich Menschen mit ihren Instrumenten oder mit der Lust am Singen zusammenfinden, um zu musizieren. Vielleicht macht ihr sogar mit.
Diejenigen unter euch, die eine akademische Laufbahn eingeschlagen haben, sehen ihr sprichwörtliches Studentenleben reduziert auf einen Haufen von Online-Veranstaltungen. Andere wiederum haben beim Lebensmittelmarkt in ihrer Nähe einen Aushang angebracht, mit dem sie älteren Menschen oder solchen, die zur Risikogruppe gehören, ihre Einkaufsdienste anbieten. Vielleicht schließlich seid ihr selbst – symptomfrei? – von Corona betroffen oder habt miterlebt, wie jemand unter euren Verwandten oder Bekannten an COVID-19 gelitten hat, verstorben ist oder davon genesen durfte.
So zufällig diese Aneinanderreihung von Faktoren zu sein scheint, durch die sich Corona ungefragt in eurer Leben mischt, so sehr entspringt und entspricht sie doch eurer Lebensrealität. Beinahe beliebig ließe sich die Beschreibung eurer Erfahrungen verändern und verlängern. Wir verlassen aber hier diese Ebene der Betrachtung, denn letztlich weiß jeder von euch selbst am besten, wie, wo, wann und in welchem Umfang er von der Krise betroffen ist. Und natürlich verfolgen wir, wie es die Überschrift bereits erkennen lässt, mit unserem Schreiben ein anderes Ziel als euch einen Spiegel vorzuhalten, in dem ihr euer eigenes aktuell durch Corona verzerrtes Leben erkennt.
Vielmehr wünschen wir uns von euch, dass dieser gegebene Zustand für euch zur Grundlage und zum Auslöser wird, um euch, euer Leben und damit zuletzt auch unser aller Dasein zunächst eindringlich zu reflektieren und dann möglicherweise bewusst zu verändern.
Gestern
Wir sind der Meinung, dass Lebensveränderung nachhaltig nur funktionieren kann, wenn wir uns als Menschen in unserem Gesamtkontext sehen und verstehen. Bevor wir uns daher mit der Zukunft befassen, müssen wir innehalten und einen Blick auf unsere Vergangenheit werfen. Das Wissen darum, woher wir kommen, wird uns nicht nur der Wegweiser für neue Ziele sein, sondern mehr noch: es kann uns die Frage zu beantworten helfen, wie wir diese neuen Ziele, also Veränderung erreichen können.
Das Deutschland der letzten 75 Jahre war auf der Arbeitsseite vom Wiederaufbau geprägt. Aus den Ruinen des zweiten Weltkriegs haben eure Eltern und Großeltern ein erfolgreiches Land aufgebaut, in dem es uns allen besser geht als in vielen anderen Ländern dieser Erde. Wer in andere Regionen der Welt gereist ist, hat dies mit eigenen Augen erlebt.
Diese Entwicklung basierte auf zwei Prämissen: erstens gab es keine politische Ideologie mehr, die unser Land in den Untergang stürzen konnte; das Grundgesetz war – und ist bis heute – das Bollwerk dagegen. Zweitens wurde seinerzeit, um den Wiederaufbau zu initiieren und zu realisieren, jeder Einzelne gebraucht. Die Produktion stützte sich auf die Fähigkeit eines jeden Individuums, vom Unternehmenslenker bis hin zur einfachen Hilfskraft; Maschinen konnten dem Menschen nur einen Teil seiner Leistungen abnehmen.
Um den gemeinsamen Wiederaufbau zu sichern, wurde quasi ein Pakt geschlossen: der Einzelne passte sich tagtäglich den Erfordernissen des Unternehmens oder der Institution an und wurde dafür regelmäßig entlohnt. An der Spitze standen stets Personen, die anscheinend oder scheinbar alles wussten und daher den anderen den Weg wiesen. Nach dem sogenannten „Top-Down-Ansatz“ führten also Wenige Viele. In diesem System hatte jeder seinen bestimmten Platz, den er kannte und an dem er verblieb; nur wer es eisern wollte, schaffte es nach oben, so er nicht ohnehin schon zu den „Oberen Zehntausend“ gehörte. Solange der Mensch überwiegend zur Leistungserbringung erforderlich war, hatte dieser Pakt – mit seiner klaren Einteilung – fruchtbaren Bestand.
Seit dem Ende der 80er Jahre hat sich diese „Allianz“ durch den Einzug der Elektronik, der IT in Form von stärkerer Automatisierung von Arbeitsprozessen und durch das Fortschreiten der Digitalisierung immer mehr gelöst. Inzwischen treten Verfahren und Produkte in den Vordergrund, die die Ablösung des Menschen forcieren. Der Wert des Menschen und sein Anteil an der Arbeitswelt haben sich verändert und verändern sich in immer schnellerem Tempo weiter.
Durch diese Entwicklung erleben wir immer mehr biographische Brüche. Anders als in der Nachkriegsgeneration, in der viele Arbeitnehmer nur einen Arbeitgeber kannten, verlieren oder wechseln eure Eltern häufiger ihren Arbeitsplatz. Vermeintlich sichere Branchen, wie Eisen und Stahl, Kohle, Atomkraft – allesamt Motoren des Aufschwungs – sind plötzlich von gestern, verschwinden vom Markt oder werden durch digitale Alternativen ersetzt. Damit verlieren auch die sicher geglaubten Lebens-Arbeitsplätze und -Grundlagen ihre Berechtigung. Disruption ist das Stichwort. Die vertrauten, jahrelang erlernten und erlebten Strukturen werden vollständig aufgebrochen. Wie in einem plötzlichen Erdloch verschwinden ganze Geschäftszweige, die Familien ein verlässliches Einkommen sowie Sinn und Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsgruppe beschert haben.
Dieses alles geschieht nach einer Phase von gut 15 Jahren ununterbrochenem Wirtschaftswachstum mit einer sich halbierenden Arbeitslosenquote; selbst die „Delle“ in 2009 stellt nur eine kurze Episode dar, die keine nachhaltigen Sorgen zurück ließ. Wirtschaftliche Probleme kennen daher viele in eurer Generation nicht. Im Gegenteil: die Blüte eurer Heimat bietet euch bislang einen idealen Boden, um euch selbst und/oder euren Lebenstraum zu verwirklichen.
Heute
Genau in dieser Wohlfühlblase, die in der Vergangenheit temporären Bedrohungen wie Terrorismus, Flüchtlingsströmen und Klimawandel gelassen Stand hielt, macht sich nun die COVID19-Krise breit. Allgegenwärtig und doch nicht be-greifbar, droht sie, besagte beschauliche Blase des Behütetseins mitsamt euren Wünschen und Träumen zum Platzen zu bringen. Das glorreiche Streben nach dem Höher, Schneller, Weiter, Ferner … scheitert quasi an der Ausgangssperre; der klassische jugendliche Tatendrang muss sich den Corona-Bedingungen beugen und verkümmert zu einer ratlosen Passivität.
Und ausgerechnet in diesem Dilemma kommen wir daher und setzen diesem freilich bewusst überzeichneten düsteren Szenario ein chinesisches Sprichwort entgegen. Mit der Gleichsetzung von Krise und Chance – die Chinesen haben hierfür tatsächlich dasselbe Schriftzeichen – verbinden wir einen Appell: Begreift die weltweite Krise und die damit verbundene Unmöglichkeit, euch im gewünscht wie gewohnt rasanten Tempo der Verwirklichung eurer Lebensträume hinzugeben, als Chance – als Chance, innezuhalten, das aktuelle Geschehen achtsam zu reflektieren und darüber hinaus den Sinn des Lebens mindestens bewusst, möglichst neu für euch zu definieren. Jede einzelne eurer Erkenntnisse und Entscheidungen kann zuletzt zum Gelingen eines eigenverantwortlichen und selbstbestimmten Daseins beitragen. Denn auch wenn man meinen möchte, die durch die Pandemie vorgegebenen Einschränkungen lähmten die Aktivität, so gilt dies allenfalls auf der Handlungsebene, nicht aber für die geistige Beweglichkeit. Vielmehr bietet die neue Muße – ein Wort, das einigen von euch tatsächlich fremd sein könnte – ungeahnte Möglichkeiten, das zukünftige Handeln außergewöhnlich besonnen und bewusst zu planen. Die auferlegte temporäre Passivität befreit und befähigt euch also, anschließend umso zielgerichteter und fruchtbarer aktiv zu sein.
Morgen
In welche Richtung eure Reise dabei gehen wird, welchen Idealen ihr folgt, welche Ziele euch erstrebenswert scheinen, wofür ihr eure Jugend, eure Energie, euren Mut und euer Herzblut hergebt – das entscheidet heute ganz allein ihr. Denn anders als nach dem zweiten Weltkrieg, als das Gros der Bevölkerung – sei es aus einem anderen Obrigkeitsdenken oder aus Alternativlosigkeit – einigen klugen Anführern bedenkenlos folgte, gibt es heute kaum schlaue Köpfe, die euch ein Heilmittel gegen die Pandemie, eine Marschroute in die Zukunft, einen Anti-Corona-Plan präsentieren können. Die Situation ist durch die Digitalisierung und die Schnelligkeit des Wandels eine andere. Es fehlt an allen Ecken und Kanten an Erfahrung. Auch dies könnte man als Nachteil, als Schwierigkeit auslegen – oder man sieht darin ein besonderes Geschenk, fördert und fordert doch die globale Ratlosigkeit eure individuelle Meinungsfindung, Entscheidungsfreiheit und Kreativität. Ihr seid berufen, die Welt nach reiflicher Überlegung, nach eurem Geschmack und nach eurem Ermessen neu zu erfinden.
Niemand hat heute ein Rezept; umso mehr habt ihr es mit eurem jugendlichen Idealismus, mit eurer schöpferischen Unverbrauchtheit, mit eurer natürlichen Neugier, Tatkraft und Belastbarkeit in der Hand, Veränderung nachhaltig zu bewirken. Die Vorgehensweise ist ebenso simpel wie anspruchsvoll: überprüft die vielen kleinen Momentaufnahmen des aktuell Corona-durchtränkten Lebens auf ihre Richtigkeit oder Falschheit und zieht daraus die Konsequenzen.
Nehmen wir beispielsweise das neu mit Fischen belebte Venedig. Gefällt euch diese Entwicklung? Dann tragt dafür Sorge, dass die wiedergewonnene Lebendigkeit Bestand haben kann. Vielleicht wird hierfür aus eurer geplanten Kreuzfahrt eine Radtour durch Holland; vielleicht entscheidet ihr euch, für den nächsten Wochenendtrip nicht eine der üblicherweise vielbesuchten Metropolen der Welt anzufliegen, sondern einen Ausflug ins Grüne zu unternehmen.
Wie nah gehen euch die jüngsten Bilder und Berichte aus den deutschen Schlachthöfen? Und wie eng ist dieser Zustand mit eurem eigenen Fleischkonsum verknüpft? Nur wenn ihr bereit seid, den Fleischverbrauch zu reduzieren und auf Billigfleisch zu verzichten, werden sich die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt und für die Umwelt verbessern.
Seid ihr mit finanziellen Einschränkungen konfrontiert, weil das Gehalt eurer Eltern durch Kurzarbeit oder sogar Arbeitslosigkeit nicht mehr wie gewohnt üppig abrufbereit steht? Vielleicht hilft dieser Umstand bei der Beantwortung der Frage, wie viele Statussymbole ein Mensch vermeintlich braucht, um gesellschaftlich akzeptiert zu sein. Vielleicht entsteht in euch gerade die Idee, dass statt der teuren Markenjeans auch eine einfache Baumwollhose tragbar sein könnte, dass die Luxusuhr, das neueste Handy, teure Beautyprodukte, ein eigenes Auto … verzichtbar sind. Möglicherweise verhilft dieser Gedanke sogar zu einem Blick über den Tellerrand hinaus in die sogenannte dritte Welt, wo immer noch unzählige Menschen täglich gegen den Hungertod kämpfen und eure Altersgenossen um Bildung und sauberes Trinkwasser betteln. Die Rückbesinnung auf die im Sinne der humanitas wahren Werte des Lebens und das Einstehen für mehr soziale Gerechtigkeit – etwa durch das Engagement in einer humanitären Hilfsorganisation – könnten hier bestenfalls eine fruchtbare Symbiose eingehen.
Als das größte coronabedingte Drama wird gemeinhin die Auflösung der sozialen Kontakte angesehen. Auch euch dürfte es, wörtlich genommen, nicht unberührt lassen, dass es kaum noch Berührungen gibt. Ein altes Kinderlied beginnt mit den Worten: „Freunde sind wichtig zum Sandburgenbauen, Freunde sind wichtig, wenn and‘re dich hauen“. Auch wenn ihr dem Alter des Sandburgenbauens sicher entwachsen seid, werdet ihr in den vergangenen Wochen lieb gewonnene Menschen schmerzlich vermisst haben, sei es den Mitschüler aus dem Englischunterricht, den Kollegen im Büro, den Kommilitonen aus dem Hörsaal, den Sportsfreund aus dem Fitness-Studio, die Großeltern, die BFF, den Kumpel aus dem Dart-Club, den Fahrlehrer, den Hundetrainer oder einfach den Lieblingsmenschen. Jeder von euch könnte diese Liste beliebig verlängern. Noch viel mehr sollte jeder das Gefühl, zu vermissen und vermisst zu werden, nutzen, um der Freundschaft und jeder Form des freundlichen menschlichen Miteinanders eine neue Wertschätzung zuteilwerden zu lassen. Ihr alle erlebt in diesen Tagen, dass keine noch so perfekte Online-Veranstaltung Herzlichkeit ausstrahlt. Wie wäre es, wenn ihr auch in Zukunft weniger auf WhatsApp, Snapchat und Instagram miteinander kommuniziertet, sondern vielmehr dem leibhaftigen Gespräch eine neue Chance schenktet? Bei dieser Gelegenheit könntet ihr eurem Gegenüber direkt anvertrauen, wie wohltuend seine Gesellschaft ist und wie viel euch der lebendige Austausch bedeutet. Die Umkehr unserer degenerierten Ellenbogen-Gesellschaft von der blinden Besessenheit, den eigenen Profit zu optimieren, hin zu einem respektvollen Umgang mit dem biblischen wie bildlichen Nächsten, der sich so in seinem Wesen und mit seinen Wünschen gesehen fühlt, ist wohl der größte Gewinn, den die Menschheit durch Corona erringen kann. Also: feiert eure Freunde, helft den Nachbarn, ladet die Einsamen ein, schenkt jedem, was er braucht … kurz: verschwendet so viel Herzenswärme wie möglich für diese unsere, eure neue Welt.
Zu guter Letzt bleibt eins: für den Fall, dass eine Person aus eurem näheren Umfeld an COVID 19 erkrankt war oder ist, so wird sie mit einer ziemlich hohen Wahrscheinlichkeit gesund sein oder werden. Anders als in vielen anderen, auch europäischen Ländern ist die Sterblichkeitsrate durch Corona in Deutschland nämlich absolut gering. Und für den Fall, dass euch diese Tatsache mit Erleichterung erfüllt, scheut euch nicht, Stolz, Dankbarkeit und Demut gegenüber eurer Heimat in Wort und Tat zum Ausdruck zu bringen. Es ist ein durchaus privilegierendes Glück, in einem Land aufzuwachsen, in dem nicht nur das Gesundheitssystem hervorragend funktioniert, sondern in dem auch das Streben nach sozialer Gerechtigkeit erkennbar allem staatlichen Handeln zugrunde liegt. Tragt aktiv dazu bei, dass dies so bleibt, indem ihr für die höchsten Werte unserer Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheit, politische Verantwortung übernehmt. Schützt die Blüte unseres deutschen Staates, indem ihr extrem Rechten und Linken keinen Raum lasst, Schädlinge und Fäulnis zu streuen.
Auch wenn sich in dieser Vorstellung, die wir eben von einem möglichen Morgen skizziert haben, die Imperative häufen, sind wir übrigens doch weit davon entfernt, euch Ratschläge oder konkrete Arbeitsanweisungen erteilen zu wollen. Allenfalls exemplarisch sind hier anschauliche Szenarien gezeichnet; das Spektrum eures Handels ist aber um ein Unendliches größer, wird es doch maximal von den Grenzen eurer eigenen Phantasie beschränkt. Nichts ist unmöglich, ihr allein entscheidet über Ziel und Weg.
Team
Dass der letzte Gedanke unseres Artikels eine eigene Überschrift bekommt - noch dazu eine, die sich nicht in die Systematik einfügt -, entspricht der außerordentlichen Wichtigkeit, die wir diesem Punkt beimessen. Denn ist euer höchstes Gut auch eure jugendliche Tatkraft, so ist ihre Wirkung allein gegen die Welt doch beschränkt. Erst im Team werdet ihr stark genug sein, massive und nachhaltige Veränderungen herbeizuführen.
Daher unser Schluss-Appell: redet miteinander und handelt miteinander. Tauscht euch über eure Erkenntnisse und Visionen aus, steckt euch gegenseitig an, lernt voneinander. Schmiedet gemeinsam Pläne für eine bessere Welt und kämpft für ihre Realisierung, indem jeder gemäß seinen Fähigkeiten das Beste gibt. Die bald abgedroschen klingende Formulierung „Together we are strong“ ist alles andere als eine Plattitüde, hat doch jüngst gerade die deutsche Geschichte bewiesen, wie viel der Mensch zu leisten imstande ist, sobald er seine Kräfte im Kollektiv einsetzt. Die deutsche Mauer wäre 1989 niemals gefallen, wenn nicht die Überzeugung, die Entschlossenheit, der Mut, der Kampfgeist, die Ausdauer und die Dynamik vieler Einzelner sich zu einer Urgewalt gebündelt hätten. Damals sind wir alleaufgestanden und haben uns in Bewegung gesetzt. Habt nun auch ihr alle den Mut und bewegt euch. Dann bleibt eure Idee von einer besseren, da gerechten und friedvollen Welt nicht länger die Utopie vereinzelter Phantasten, sondern markiert tatsächlich die Geburtsstunde einer neuen Daseinsform, in der die einzigartige Symbiose aus Selbstbestimmtheit und Selbstlosigkeit das Leistungsdenken einer profitorientieren egozentrischen Gesellschaft adabsurdum führt.
Unsere alte Welt – oder: die Welt von uns Alten - wird hierdurch erschüttert werden. Aber genau darum bitten wir euch. Wir werden uns daher euren Ideen und Idealen nicht verschließen, sondern euch im Gegenteil den roten Teppich ausrollen. Und mehr noch: falls ihr uns braucht, werden wir da sein. Sowohl unsere Lebenserfahrung als auch die noch vorhandene Tatkraft stehen zu eurer Verfügung.
Dass 2020 als „Corona-Jahr“ in die Annalen der Geschichte eingehen wird, hat die Welt uns unveränderlich vorgeschrieben. In eurer Macht liegt es, 2020 zum Jahr der Veränderung und des Aufbruchs in eine bessere Welt zu krönen. Nutzen wir die existenzielle Krise der Menschheit als Chance für eine neue menschliche Existenz!
Zu den Autoren:
Roland Braun ist Berater bei Kienbaum Consultants International GmbH, der heute Führungskräfte in beruflichen Veränderungssituationen begleitet, in die er seine Erfahrungen als Führungskraft in der Industrie und Mitgründer eines Start-ups einbringt.
Dr. Susanne Liell ist Altphilologin und Buchautorin mit einer großen Leidenschaft für Sprache und Sprachen. Die dreifache Mutter begleitet durch ihr vielfältiges soziales Engagement ehrenamtlich Menschen besonders in Krisensituationen.
Christoph Post ist Coach bei Fokus Schärfen. Mit über 26 Jahren Berufs- und Facherfahrung hat er schon viele Menschen in ihrer Entwicklung begleitet. Aktuell setzt er sich mit einem neuen Konzept zur ganzheitlichen Kompetenzaktivierung von Menschen auseinander. #fokusschärfen https://www.linkedin.com/in/christoph-post
(Bild: pixabay)
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